Moorzerstörung für die Landwirtschaft

Atlas

Riesige Moorflächen auf der ganzen Welt sind bereits zerstört. Aktuell werden sie vor allem in den Tropen abgeholzt und entwässert. Brände und Klimakrise sind ebenfalls eine Gefahr. Schutzmaßnahmen greifen bislang kaum.
 

Mooratlas Infografik: Unterschiede zwischen intakten Mooren und wiedervernässten Mooren, Studie aus dem Jahr 2021
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Wiedervernässung ist alternativlos, doch sie kann alte Zustände nur bedingt wiederherstellen. Noch intakte Moore müssen daher erhalten und geschützt werden

Weltweit gehen gesunde Moore rasant verloren – durch Abholzung und Entwaldung, durch Brandrodung und Entwässerung. Trockengelegte Moorflächen dienen als schnellwachsende Faserholz- oder Palmölplantagen, als Ackerland, Weideland und Forst. Oder sie werden zur Torfgewinnung genutzt oder mit Siedlungen bebaut. Von den 500 Millionen Hektar Moore weltweit sind bereits über 50 Millionen Hektar soweit zerstört, dass kein neuer Torf mehr gebildet wird und der noch existierende verschwindet. Und jedes Jahr werden von den Mooren, die noch aktiv Torf bilden, weitere 500.000 Hektar durch menschliche Aktivitäten zerstört. In vielen fruchtbaren und gut zugänglichen Gegenden mit Bevölkerungswachstum sind natürliche Moore bereits vollkommen verloren gegangen – etwa in ­Mitteleuropa, Osteuropa und Südostasien. In der Europäischen Union ist insgesamt etwa die Hälfte aller Moore entwässert. Die meisten intakten Moore liegen in dünn besiedelten Gebieten, die landwirtschaftlich schlecht nutzbar sind – vor allem im Norden der Erde, in Kanada, Alaska, Sibirien oder in schwer zugänglichen Regenwaldgebieten wie dem Kongo- und Amazonas-Becken im Globalen Süden. Europäische Länder, deren Moore als gut erhalten gelten, sind Schweden, Norwegen oder Bosnien-Herzegowina. Dort sind sie noch zu 75 bis 100 Prozent intakt.

Cover Mooratlas

Der Mooratlas 2023

Der Mooratlas beleuchtet in 19 Kapiteln die Folgen der Zerstörung dieser einzigartigen Lebensräume und zeigt die Chancen nasser Moore und ihrer Nutzung für die Gesellschaft auf, um alle Akteur*innen zum Handeln zu ermutigen – „Moor muss nass“!

Besonders in den Tropen schreitet die Zerstörung von Mooren aktuell weiter voran, und sie hat katastrophale Konsequenzen. Bei den dortigen Flächen handelt es sich häufig um Moorregenwälder, in denen auf meterdicken Torfschichten Urwaldriesen stehen. Sie dienen als wichtige Refugien für Orang-Utans, Wald-
elefanten und viele andere Arten. Moorregenwälder speichern außerdem sehr große Mengen Kohlenstoff in der Vegetation und im Boden. Der effektivste Speicher dabei ist der Torf. So macht das tropische Moor Cuvette Centrale, das vor allem auf dem Gebiet der Demokratischen Republik Kongo und der Republik Kongo liegt, nur 4 Prozent der Gesamtfläche des Kongobeckens aus – und speichert in seinem Torf mit rund 30 Milliarden Tonnen Kohlenstoff die gleiche Menge wie der gesamte dort wachsende Regenwald.

Mooratlas Infografik: Moorfläche, in 1.000 Hektar
Indonesische Moore sind massiv zerstört. Seit einigen Jahren setzt die Regierung jedoch einen ambitionierten Moorschutz um, der seinesgleichen sucht

Über die Hälfte der bekannten tropischen Moore liegen in Südostasien. Viele von ihnen sind trockengelegt und degradiert. In der Region wurden in den letzten 20 Jahren vor allem in Indonesien und Malaysia in großem Umfang Moorwälder in Palmöl- und Akazienplantagen umgewandelt. Die globale Produktion von Palmöl ist von knapp 15 Millionen Tonnen im Jahr 1994 auf über 74 Millionen Tonnen im Jahr 2019 gestiegen. Dieser enorme Anstieg erklärt sich durch die zunehmende Verwendung von Palmöl als Kraftstoff und in Lebensmitteln, Wasch- und Reinigungsmitteln. Aus Akazienplantagen wird wiederum Zellstoff und Papier gewonnen.

Vor allem in Südostasien lodern seit den 1990er-Jahren immer wieder unkontrollierte großflächige Land- und Waldbrände. Eigentlich brennen feuchte Moorflächen unter natürlichen Umständen nicht – im trockengelegten Zustand allerdings schon. Große Konzerne lassen auf ihnen oft legale und auch illegale Brandrodungen durchführen, um neuen Platz für ihre Plantagen zu gewinnen. Durch die Klimakrise werden viele der Flächen noch anfälliger für Waldbrände. Seit einiger Zeit unternimmt Indonesien große Anstrengungen, um die Wasserstände in seinen Mooren wieder zu erhöhen. Mit 24 Millionen Hektar weist das Land über 13-mal mehr Moorfläche auf als Deutschland; seine entwässerten Moore stoßen so viele Treibhausgase aus wie kein anderes Land der Welt. Doch mittlerweile hat die Regierung eine staatliche Behörde für Moorrestaurierung gegründet und bereits eine Fläche von über 2 Millionen Hektar wiedervernässt.

Besonders gefährdet durch die Klimakrise werden Permafrostböden, die quasi gefrorene Moore sind. Tauen sie auf, zersetzt sich ihre organische Substanz – und Kohlenstoff wird als CO₂ freigesetzt, genauso wie Methan (CH₄). In der Arktis, wo sich die meisten Permafrostböden befinden, ist die Temperatur in den letzten 40 Jahren fast viermal so schnell gestiegen wie im globalen Durchschnitt.

Für die erst vor wenigen Jahren wissenschaftlich erfasste Cuvette Centrale im Kongobecken wird bereits diskutiert, Unternehmen umfangreiche Nutzungslizenzen zu übertragen. Mit seiner Fläche von über 14 Millionen Hektar ist die Cuvette Centrale größer als England und eins der größten zusammenhängenden Moore weltweit – es macht mehr als ein Drittel der Gesamtfläche aller tropischen Moore aus und enthält mehr als ein Viertel des von ihnen gespeicherten Kohlenstoffs. Bald schon könnte es sein, dass Konzerne dort Holz einschlagen, Palmölplantagen anlegen und nach Erdöl bohren.